Schärfentiefe
Definitionen
Die Schärfentiefe wird auch oft als Tiefenschärfe*) bezeichnet. Der Streit, welcher Begriff wirklich richtig ist, ist sicherlich so alt, wie die Fotografie selbst.
Die Schärfentiefe bezeichnet den Bereich eines Fotos, der im Gesamten scharf abgebildet wird und somit zwischen dem Nahpunkt und dem Fernpunkt liegt.
Die Schärfentiefe ist ein sehr wichtiges Mittel zur Bildgestaltung.
*) spöttisch auch als Schiefentärfe oder Tärfenschiefe - es gibt aber auch abweichende Definitionen
Faktoren
Die Schärfentiefe ist von folgenden Faktoren abhängig:
- Zerstreuungskreis Z = {Länge der Bilddiagonalen} / Konstante, wobei die Konstante = 1500 ist unter der weit verbreiteten und in die Fotofachliteratur eingeflossenen Annahme, dass der scharf sehende zentrale Teil der Netzhaut des menschlichen Auges im Schnitt ein Bild mit 1500 Bildpunkten Durchmesser aufzulösen vermag.
Jeder Lichtpunkt, der bei der Aufnahme nicht haargenau im Fokus und damit genau auf die Bildebene projiziert ist, erscheint im Bild als ein Zerstreuungskreis in Form der Blende.
Der Wert Zerstreuungskreis Z gibt den maximalen Zerstreuungskreisdurchmesser an, der für das Auge (mit normaler Sehschärfe) so gut wie ein scharfer Bildpunkt erscheint. Nahpunkt und Fernpunkt werden auf Basis dieses Maximalwertes errechnet, und zwar abhängig von - Brennweite (je kleiner die Brennweite desto größer ist die Schärfentiefe) und
- Blende (je kleiner die Blendenöffnung, also je größer die Blendenzahl, desto größer ist die Schärfentiefe) sowie von der
- Entfernungseinstellung bzw. dem Abstand zum fokussierten Objekt (je weiter das Objekt entfernt ist, umso größer wird die Schärfentiefe).
Schärfentiefe-Skalen
Auf Objektiven mit Festbrennweite, die einen Blendenring haben, ist meist auch eine Skala zum Ablesen der Schärfentiefe vorhanden. Bei Schiebezooms gab es eine Anzeige mittels Kurven, da die Schärfentiefe ja auch mit der Brennweite zusammenhängt.
Abhängigkeit von der Größe des Films/Sensors
Hierzu einige - absolut treffende - Zitate vom flickr User "horseandbikeride":
- "Die Schärfentiefe wird vom Objektiv vorgeben. Sollte im gesamten Bildfeld gleich sein, Sensor spielt keine Rolle. Allerdings wenn ich das fertige Bild betrachten will, dann muss das Bild vom kleineren Sensor mehrfach vergrößert werden als das vom großen Sensor. Damit könnte sich die Schärfentiefe reduzieren bzw. Bildfehler werden mit vergrößert. Die ganze Streiterei um dof (Anmerkung von Olypedia: "Schärfentiefe") ist aber müßig. Könnte eigentlich nur dann ein technisches Problem sein, wenn der Abstand zum Objekt vorgeben ist. Dann hat FF (Anmerkung von Olypedia: "Vollformat") geringere Schärfentiefe weil eben mehr Brennweite als bei mft (Anmerkung von Olypedia: "MFT") nötig. Andrerseits könnte ich ja mein mft etwas weiter aufblenden um die dof zu verringern. Aber will ich unbedingt immer freistellen? ich nicht."
Bei gleichem Bildwinkel (bzw. kleinbildäquivalenter Brennweite) hängt die Schärfentiefe allein von der Eintrittspupille des Objektivs ab. Die Eintrittspupille gibt an, wie dick das Lichtbündel ist, das das Objektiv verarbeiten kann (und entspricht der Blendenöffnung, wenn man von außen durch das Objekitv blickt). Wie groß der Sensor ist, auf den dieses Lichtbündel fokussiert wird, ändert nichts an der Schärfentiefe. Allerdings wird das Bild heller, je kleiner der Sensor ist. Deshalb erreichen Kameras mit kleineren Sensoren schon mit kleinlinsigeren Objektiven die gleiche Blendenzahl wie Systeme mit größeren Sensoren. Konkret ist ein MFT-Sensor ein Viertel so groß wie ein Sensor im Kleinbild-Format. Deshalb entsteht bei der gleichen Lichtmenge ein viermal so helles Bild, was zwei Blendenstufen entspricht. Ein MFT-Objektiv mit 1,8/45mm erzeugt die gleiche Bildwirkung wie ein KB-Objektiv mit 3,6/90mm, da beide Objektive die gleiche Eintrittspupille (25mm) haben. Die Bildhelligkeit (Blendenzahl) ist dagegen verschieden. (Die Lichtmenge je Pixel ist bei gleicher Pixelzahl jedoch wiederum vergleichbar.)
Film-/Sensor-Größe und Zerstreuungskreis
Ein Objektiv hat einen Bildkreis, dessen Durchmesser zumeist mindestens der Länge der Diagonalen des Aufnahmemediums (Film, Sensor) entspricht, für das die Optik entwickelt wurde. Verwendet man dasselbe Objektiv adaptiert an einer Kamera mit kleinerem Aufnahmemedium, so wird der Zerstreuungskreis entsprechend kleiner berechnet.
Das hat zur Folge, dass trotz kleinerem Sensor bzw. Filmformat dasselbe Objektiv eine geringere Schärfentiefe erzeugt. Die Schärfentiefe nimmt um genau den bei einer solchen Objektiv-Adaption eine Rolle spielenden Crop-Faktor ab (siehe auch weiter unten bei den Zitaten von H. Nasse).
Hingegen sind bei kleineren Sensoren bzw. Filmformaten Brennweiten von dafür berechneten Normal-, Weitwinkel- und Tele-Objektiven jeweils kleiner als bei entsprechenden Objektiven, die für größere Formate berechnet sind.
Das hat zur Folge, dass Kompaktkamera-Objektive ebenso wie Original-System-Objektive kleinerer Systemkameras trotz kleinerem Aufnahmeformat eine insgesamt höhere Schärfentiefe erzeugen als Kameras für größere Formate bzw. deren originale Optiken.
Berechnen lässt sich die Schärfentiefe z.B. mit einem Schärfentiefe-Rechner.
Zusammenhang von Schärfentiefe/Film-/Sensor-Größe und notwendiger ISO-Einstellung
In den einschlägigen Foren werden immer wieder Aufnahmen mit (z.B.) mFT- und "Vollformat"-Sensoren bei gleicher ISO-Einstellung verglichen. Normalerweise kein Problem - nur wird hier immer wieder die - z.B. bei Porträts - gewünschte Schärfentiefe vergessen - die (systembedingt) größere Schärfentiefe des kleineren Sensors verringert die notwendige ISO-Einstellung bei gleichen Lichtverhältnissen und gleicher (gewünschter) Schärfentiefe!
Hierzu ein wunderschönes und absolut treffendes Zitat aus den Anmerkungen zum Artikel "Im Praxiseinsatz: Olympus PEN-F" in photoscala.de:
- "Zitat (aus dem Artikel Artikel "Im Praxiseinsatz: Olympus PEN-F" in photoscala.de): "Dazu eine kleine Beispielrechnung: Porträts fotografiere ich mit meiner Kleinbildkamera gerne bei ca. 90 Millimeter Brennweite und Blende F/4. Die Belichtungszeit sollte dabei 1/100 Sekunde nicht überschreiten. Nehmen wir einmal an, das Licht ist schlecht, meine Kleinbildkamera regelt daher die Empfindlichkeit auf ISO 3200 hoch.
Mit der PEN-F erziele ich ein (annähernd) identisches Ergebnis bei ISO 800. Denn durch ihren um den Faktor 0,5 kleineren Sensor erziele ich mit ihr dieselbe Tiefenschärfe wie bei 90 mm und F/4 an Kleinbild mit 45 mm und F/2. Ich gewinne also zwei Blendenstufen, die ich einer entsprechend verringerten ISO-Empfindlichkeit (oder kürzeren Verschlusszeit) zuschlagen kann. Im Prinzip fällt der Gewinn sogar noch deutlich größer aus, weil die PEN-F mit einem wirklich hervorragenden Bildstabilisator ausgestattet ist, der mindestens um zwei Lichtwertstufen längere Belichtungszeiten erlaubt. Aufnahmen bei 90 Millimeter kleinbildäquivalenter Brennweite und 1/20 Sekunde sind da kein Problem – so das Motiv still hält."
Genau so ist es und endlich wird es auch mal geschrieben. Ich habe in ausführlichen Versuchen mit Vollformat und MFT genau diese Erfahrungen gemacht. In der Praxis ist es dann auch so, dass bei KB schon alleine aus Gewichtsgründen eher zu Zooms gegriffen wird, bei MFT können aufgrund des wesentlich geringeren Gewichts lichtstarke Festbrennweiten eingesetzt werden, mit dem Ergebnis, dass eine gesamte Ausrüstung weniger als die Hälfte wiegt und die Bildqualität bei hochwertigen Festbrennweiten im MFT-Format sogar besser ist. Wer´s nicht glaubt, kann es ja selbst mal probieren.
Nur das Auflösungsmärchen ist Unfug. Die Auflösungsgrenze definiert immer noch die Linse und nicht der Sensor. Selbst die meisten hochwertigen MFT-Festbrennweiten schaffen noch nicht mal die 16 Megapixel, geschweige denn die 20 oder vom Sensor hingeziterten 50 Megapixel. Und das ist auch im Vollformat nicht anders. Ob 36 oder 50 Megapixel, alles nur vollmundiges Marketing, was in der Praxis keine Relevanz hat. Vollformat-Bodys mit 16-20 Megapixeln reichen da völlig aus."
Zitate
Hier ein paar Zitate von Dr. Hubert Nasse (Carl Zeiss - Geschäftsbereich Photo-Objektive) aus seiner Veröffentlichung "Schärfentiefe und Bokeh", Camera Lens News 35 (März 2010):
- "...soll es 'Schärfentiefe' oder 'Tiefenschärfe" heißen?
Nun, darüber sollte man keine Haarspaltereien betreiben, ... Es sind seit jeher beide Begriffe gebräuchlich. Und beide meinen auch die gleiche Eigenschaft der photographischen Abbildung - dass man nämlich unter bestimmten Bedingungen von Gegenständen des dreidimensionalen Raumes ein scharfes zweidimensionales photographisches Bild machen kann, obwohl sich die Kamera nur auf eine bestimmte Entfernung fokussieren lässt."
- "...Dass wir einen beträchtlichen Teil des dreidimensionalen Raumes vor und hinter der optimal fokussierten Entfernung auf den Film oder Chip bannen können, liegt daran, dass wir offenbar ein gewisses Maß von Unschärfe tolerieren können oder gar nicht bemerken.
Dass dies so ist, ist wirklich ein Segen, denn kaum eine Kamera ist so präzise, dass sei die optimale Leistung eines Objektivs mit hundertprozentiger Sicherheit auf Film oder Sensor bringen kann. Begrenzte Filmplanlage in analogen Zeiten, Fokussierfehler und andere mechanische Toleranzen erschweren das nämlich sehr."
- "Schärfentiefe beruht auf erlaubter Unschärfe und damit ganz wesentlich auf willkürlicher Festlegung."
- "...die Schärfentiefe wächst mit dem Quadrat der Aufnahmeentfernung."
- "...die Schärfentiefe ist bei jeweils gleicher Aufnahmeentfernung umgekehrt proportional zum Quadrat der Brennweite."
- "...abblenden...,wächst die Schärfentiefe linear mit der Blendenzahl."
- "Bei Verkleinerung des Aufnahmeformats nimmt also die Schärfentiefe um den Crop-Faktor ab."
- "...die Schärfentiefe hängt (fast) überhaupt nicht von der Brennweite ab, sondern nur vom Abbildungsmaßstab..."
Abweichende Definitionen
Im Artikel "Warum ich einen Unterschied mache zwischen Schärfentiefe und Tiefenschärfe" in pen-and-tell.blogspot.de verdeutlicht der Autor seine Abgrenzung der Begriffe "Schärfentiefe" und "Tiefenschärfe" voreinander:
Als Versuchsaufbau wurden zwei Nah-Aufnahmen (s. den Bericht) des gleichen Motives mit zwei verschiedenen Objektiven erstellt (M.ZUIKO DIGITAL ED 17mm F1.8 und M.ZUIKO DIGITAL ED 40‑150mm 1:2.8 PRO - jeweils bei Offenblende). Lt. Schärfentiefe-Rechner ist die Schärfentiefe (also der wirkliche Bereich der Schärfe) beim M.ZUIKO DIGITAL ED 40‑150mm 1:2.8 PRO größer aus beim M.ZUIKO DIGITAL ED 17mm F1.8. Der Hintergrund ist aber beim M.ZUIKO DIGITAL ED 40‑150mm 1:2.8 PRO unschärfer (und wesentlich gefälliger) - genau diesen Effekt bezeichnet der Autor als Tiefenschärfe - die Darstellung der Schärfe in der Tiefe des Bildes.
Hier ein paar Zitate aus dem den Artikel in pen-and-tell.blogspot.de:
- "... Der Hintergrund ist aber unschärfer. Und zwar erheblich. Und genau das ist die Tiefenschärfe, die eben aufgrund der längeren Brennweite trotz kleinerer Blende kleiner ist. Sprich: Das Bild ist in der Tiefe unschärfer - die Tiefenschärfe also geringer."
"Generell: Gleicher Abbildungsmaßstab, gleiche Blende - gleiche Schärfentiefe. Die Brennweite ist da völlig uninteressant. Die wird erst dann interessant, wenn es um die Hintergrundunschärfe (aka Tiefenschärfe) geht. Und da liefert eben die größere Brennweite die größere Unschärfe - weil der Abbildungsmaßstab des Hintergrunds sehr schnell größer wird."
"(Unabhängig davon liefert eine längere Brennweite auch einen harmonischeren Übergang von der Schärfe in die Unschärfe. Deswegen mache ich Porträts mit langen Brennweiten. ...)"
Interne Verweise
Weblinks
- "GfO: Schärfentiefe" in pen-and-tell.de
- Ausführliche PDF-Datei zu diesem Thema
- Schärfentiefe in wikipedia.de
- Schärfentiefe bei digitalkamera.de
- "Schärfentiefe und Bokeh" von Dr. Hubert Nasse (Carl Zeiss - Geschäftsbereich Photo-Objektive), März 2010
- "Digital Depth of Field" von Bob Atkins (englisch)
- "Warum ich einen Unterschied mache zwischen Schärfentiefe und Tiefenschärfe" in pen-and-tell.blogspot.de